Glückwunsch!

Alle in den Hauptkategorien prämierten Werke wurden mit je 300 Euro und einer GINCO-Trophäe in Form unseres Maskottchens, Artie die Bildkröte, ausgezeichnet. Zusätzlich wurden drei lobende Erwähnungen ausgesprochen.

Zu Anfang wurde Artie aus recyceltem Kunststoff 3D-gedruckt. Seit 2022 wird er aus Gießbeton handgegossen, um sich als kleiner Pflanztopf, als Stiftebecher oder Nippesdippsche anzubieten. Das Design von Artie stammt von Kami Wallner, die Modellierung von Neronai und die Abgüsse der Trophäe von Lisa Rau. Die diesjährigen Illustrationen wurden von s0s2 gestaltet. (Mehr über Artie lässt sich hier nachlesen.)

EXPERIMENTELLER COMIC

The Salt Lick Wife

von Niki Smith

Link: https://mycrea.itch.io/the-salt-lick-wife

"Eine abenteuerliche Suche steht im Mittelpunkt dieses experimentellen Comics: die Suche nach dem Salz des Lebens. Menschen und Tiere streben zu einer Höhle, die mit der Zeit und durch kontinuierliche Bearbeitung betretbar wird. In der Grotte fühlt sich die Protagonistin ganz mit sich verbunden.
Trotz experimenteller Elemente ist der Comic souverän erzählt und bebildert. Er bietet uns poetische Textelemente und freie Seitengestaltung.
Darüber steht die Suche nach der lebenserhaltenden Salzhöhle, die gleichzeitig lebensgebenden Uterus und lesbische sexuelle Beglückung repräsentiert. Die zarte Andeutung dieser Symbole ist von Niki Smith stimmig eingebettet in das mysteriöse, prähistorische Setting, und die leicht ins gruselige gehende Erzählweise. Sie führt ihr Publikum mit hinein in ihr Experiment, statt es außen vor zu lassen. Diese Vielseitigkeit zeichnen wir gerne mit einem Ginco in der Kategorie 'Experimentell' aus." – Judith C. Vogt / GINCO Komitee 2023

FORTLAUFENDE SERIE

Being Monsters

von Julia Beutling
Link: https://www.beingmonsters.de/en/comic/being-monsters-cover/

"Die Monstrosität des Alltäglichen, die Monstrosität dessen, was uns einst alltäglich vorkam, ist uns in vielen Werken unter den diesjährigen Einreichungen begegnet. Zurückkehren in die einst gewohnte Umgebung, die die Frisur kommentiert, die auffordert, mehr zu lächeln, die enger wirkt und vielleicht auch ist als die Identität, die man anderswo gefunden hat – davon erzählt Julia Beutling in „Being Monsters“.
Doch wir reisen auch durch Panels in fokussierten Farben an die Grenze des Bekannten ins wahrhaft Monströse, wo alle Farben greller werden: das von einem Ungeheuer beherrschte Schloss mit verschlingendem Wildwuchs, in dem der einzige Begleiter verloren geht, dem Frisur und mangelndes Lächeln gleichgültig sind – der Hund.
Doch es braucht nicht nur ein Dorf, um Monster auf die Welt zu bringen, sondern auch Comics: 'Being Monsters' ist ein noch nicht vollständig ausgearbeiteter Indie-Comic, dem sowohl die Crowd-Unterstützung von Patreon als auch drei Stipendien Leben eingehaucht haben; unter anderem an die Corona-Pandemie gekoppelte Stipendien. Die Existenzen von Comic-Künstler*innen ist jedoch auch nach offiziellem Ende der Pandemie nicht leichter geworden, und um die Vielfalt und das Bestehen von Geschichten zu erhalten, wünschen wir uns mehr staatliche Unterstützung und Solidarität mit Kunstschaffenden, unabhängig von globalen Katastrophen. Die Kategorie 'Fortlaufende Serie' steht somit auch für unsere Hoffnung, dass die von uns nominierten Comics und das ausgezeichnete Werk ihre Geschichten weitererzählen können." – Lisa Frühbeis / GINCO Komitee 2023

Please activate subtitles

Lobende Erwähnung: Die Suche nach Kwik

von Julia Steinmetz
Link: https://juliasteinmetz.com/comic.html

"Die Medizin des Mittelalters ist gruselig. Sogar Mumien wurden zermahlen und als angebliche Wundermittel verabreicht. Was für merkwürdige Gestalten mögen in diesen Apotheken gestanden haben? Nun, im Falle von Julia Steinmetz’ Comic “Die Suche nach Kwik” ist es Cosmas van Zwavel. Sein Aussehen erinnert an ein Skelett, gruselig ist er jedoch keinesfalls. Cosmas ist nämlich ein sehr netter Kerl, der in großer Sorge um seinen Freund Kwik ist, von dem er schon lange keine Nachricht mehr erhalten hat. Und so bricht er auf zur titelgebenden Suche nach seinem verschollenen Freund.
Cosmas Suche führt ihn in düstere Tavernen, über wilde Meere und durch dunkle Gassen. Entgegen der furchteinflößenden Welt dieser niederländisch anmutenden Imagination eines finsteren Mittelalters, wirken die Wesen, die sie bewohnen, auffällig freundlich, hilfsbereit und mitfühlend. Dieser starke Kontrast zwischen sympathischen Charakteren und der unbehaglichen Umwelt, zwischen düsteren Schatten und warmen Farben entfaltet eine enorme Sogwirkung – man möchte das Buch gar nicht mehr zur Seite legen.
Besonderes Lob gebührt Julia Steinmetz für das Kreieren ihrer solidarischen Version des Mittelalters, in der Skelette und Frösche, Seefahrer und lesbische Pärchen, Frauen in medizinischen Berufen und nicht festgelegte Freundschaftsbeziehungen miteinander existieren. Dafür möchten wir 'Die Suche nach Kwik' in der Kategorie 'Fortlaufende Serie' mit einer besonderen Erwähnung hervorheben." – Lisa Frühbeis / GINCO Komitee 2023

NARRATIVER KURZCOMIC

Bisher kein Tiger in Sicht

von Julia Zejn

Link: https://juliazejn.bigcartel.com/product/bisher-kein-tiger-in-sicht

"In bewährter Kurzgeschichtenmanier zeigt dieser Comic einen Ausschnitt aus dem Leben einer Person, von der wir nicht viel wissen. Sie wartet in der sibirischen Einsamkeit auf einen Tiger, sie schreibt kurze Nachrichten an eine:n Partner:in daheim. Aber der Tiger ist nicht in Sicht, und in der Beziehung lief und läuft es wohl auch nicht so gut. Bald ist es vorbei, so die Beteuerung. Doch als der Tiger endlich auftaucht, ist das Leben in Solitude plötzlich vielversprechender.
In eleganten und elegischen Bildern, kombiniert mit wenigen Worten, erzählt Julia Zejn ihre Geschichte, die uns trotzdem von Anfang an packt und die ganze Zeit bei sich hält. Trotz der spärlichen Informationen erfahren wir durch den geschickten, nie platt wirkenden Text in Briefform und durch die gekonnte Verwebung der Metaphern Tiger und Schneelandschaft viel über das Innenleben der Hauptfigur.
Dabei leitet sie uns sanft auf das Ende hin, das trotz seiner Konsequenz überrascht. Gerne würdigen wir diese Geschichte mit einem GINCO in der Kategorie 'Narrative Short Comic'." – Verena Maser / GINCO Komitee 2023

Lobende Erwähnung: Zucker

von Frank Suess
Link: https://lcb.de/skizzenblog/franz-suess-zucker/

"Es ist eine Herausforderung und teilweise recht quälend, diesen Comic zu lesen. Die Linien sperren sich, die Zeichnungen sind alles andere als eingängig, sie scheinen manchmal aus dem Rahmen zu kippen, manchmal wirken sie, als würden sie mit all ihrer Rotzigkeit den Rahmen sprengen wollen. Hier geht es ans Eingemachte: es geht um Erinnerungen, um Emotionen, um Verdrängung und Traumata aus der Kindheit. Franz Suess führt uns mit seinem Comic 'Zucker' in das Leben eines Jugendlichen, der durch einen Unfall in der Kindheit für sein Leben gezeichnet wurde. Durch eine zufällige Begegnung und einen olfaktorischen Reiz kommen plötzlich Erinnerungen in ihm hoch, die anscheinend tief im Unbewussten vergraben lagen.
'Zucker' erzählt vom liebevollen Miteinander, von Empathie und Fürsorge. Er mahnt, Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen, sondern nachzufragen und genau hinzuschauen. Er erzählt uns sehr drastisch vom Leiden der Kindheit: durch mangelndes Einfühlungsvermögen, durch den Druck und Zwang, sich dem Alltag der Erwachsenen anpassen zu müssen und dem vorprogrammierten Scheitern dieser Anpassungen. Dem Leiden hält 'Zucker' eine Geste der Zweisamkeit entgegen: einen schönen, süßen Kakao trinken (mit ganz viel Zucker!) und dabei zusammensitzen, miteinander reden und füreinander da sein. 'Zucker' von Franz Suess ist ein in mehrerer Hinsicht beachtenswerter Comic. Mit seiner sehr zurückgenommenen Erzählweise und dem eindrücklichen Zeichenstil vermag er es, starke Emotionalität zu transportieren und zu erzeugen. Auch wagt er sich an die großen Themen Trauma und Erinnerung, aber nicht um die Leser aufzuklären, sondern vielmehr die Leser anzuregen, sich selbst mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Bemerkenswert ist, dass dieser Comic im Rahmen der Veranstaltung '24 Stunden Comic am Wannsee 2022' des Literarischen Colloquiums Berlin entstand. Bei diesem jährlich stattfindenden Comicspektakel müssen sich Zeichner*innen der Herausforderung stellen, innerhalb von 24 Stunden einen individuellen 24-seitigen Comic zu einem vorab nicht bekannten Thema zu entwickeln. Das Thema 2022 war 'Mein Kindergarten' und man muss die hintergründige Tiefe bewundern, mit der Franz Suess dieses Thema ohne jegliche Vor- und Nachbereitung bearbeitet hat. Für diese außergewöhnliche Leistung möchten wir den Comic in der Kategorie 'Narrativer Kurzcomic' aus der Shortlist hervorheben." – Verena Maser / GINCO Komitee 2023

SACHCOMIC

Straßenfunde

von Anne Zimmermann

Link: https://shop.hirnkost.de/produkt/ein-comicbuch-ueber-streetwork/

"In der Kategorie 'Sachcomic' überzeugte die Jury 'Straßenfunde' von Anne Zimmermann, die wir somit gerne mit einem GINCO auszeichnen. Das Buch entstand ursprünglich als Auftragsarbeit von Gangway e.V., einem der größten Straßensozialarbeitsträger in Berlin, anlässlich ihres 30. Jubiläums. Doch die einfühlsame Darstellung der Personen und auch das sehr praxisnahe Eintauchen der Autorin in die Thematik zeugen von einem Engagement, das zeigt, dass es sich hierbei nicht nur um einen Auftrag gehandelt haben kann. So entwirft Anne Zimmermann ein sehr lebendiges Bild vom Alltag der Sozialarbeit in Berlin.
Sie begleitet Sozialarbeiter:innen bei ihrer Arbeit, lässt sich Erinnerungen und Geschichten erzählen und bringt diese virtuos zu Papier. Anekdotisch erzählt sie authentische Geschichten, die einem, ohne voyeuristisch zu sein, ein sehr genaues Bild vermitteln von den Herausforderungen sowohl für die Straßensozialarbeiter:innen als auch für diejenigen, die sie betreuen.
Anne Zimmermann gelingt es, aus dem komplexen Thema Straßensozialarbeit und den damit verbundenen sozialpädagogischen Konzepten einen lesenswerten, zeichnerisch anspruchsvollen Comic zu machen, der dieses gesellschaftlich wichtige Thema auch Laien näherbringt und es somit einem breiten Publikum öffnet." – Verena Maser / GINCO Komitee 2023

NARRATIVER LANGCOMIC

Trip mit Tropf

von Josephine Mark

Link: https://www.kibitz-verlag.de/bücher/trip-mit-tropf-1/

"'Gesundheit ist das Wichtigste', sagt man gerne, aber was, wenn der eigene Körper nicht mehr mitspielt? Basierend auf ihren eigenen Erfahrungen erschuf Josephine Mark 'Trip mit Tropf', die Geschichte eines ungewöhnlichen Roadtrips eines schwerkranken Hasen und eines einsamen Wolfs, der sich verpflichtet fühlt, den Hasen zu schützen.
Das ungleiche Duo überzeugt in warmen Farben und schnellen Dialogen voller Wärme. Josephine Mark erschafft eine Tierwelt, in der fürsorgliches Miteinander überwiegt und in der den Leiden von Krankheit und Einsamkeit eine ungewöhnliche, tiefe Freundschaft gegenübergestellt wird. Trotz der Schwere der Thematik strotzt die Geschichte vor Witz und Leichtigkeit. Josephine Mark gelingt es nahezu spielerisch, Sympathie für ihre Figuren zu erzeugen. Bereits 2022 beim Comicsalon mit dem Max-und-Moritz für den besten Kindercomic ausgezeichnet, möchten wir 'Trip mit Tropf' nun auch den Ginco in der Kategorie Narrativer Langcomic verleihen. Wir finden, dieser Comic ist nicht nur für Kinder, sondern für alle, die Comics lieben." – Lisa Frühbeis / GINCO Komitee 2023

Honorable Mention: Hort

by Marijpol
Link: https://marijpol.com/Hort-1

"'Hort' (erschienen bei Edition Moderne) dreht sich um die WG dreier Freaks: eine Bodybuilderin, die sich als Vorlage für eine Actionfigur Brüste zulegen soll, eine Yoga-Lehrerin mit Körperelementen einer Schlange als Bein und einer riesigen, dicken Restauratorin. Die drei Außenseiterinnen widmen sich zunehmend drei verlorenen Kindern aus der Nachbarwohnung. „Hort“ zeigt, dass es möglich ist, sich um Kinder zu sorgen, ohne mütterlich sein zu wollen, unterschiedlich zu sein, ohne sich gegenseitig zu verurteilen und als Frau mit sich im Reinen zu sein, ohne in die Gesellschaft integriert zu sein.
Marijpol schildert die Alltagsleben ihrer Protagonistinnen in Violett auf Weiß auf üppigen 360 Seiten, lässt jede von ihnen zu Wort kommen und gibt einer nicht-normierten Vielfalt von Weiblichkeit Platz auf ihrer Bühne. Die ungewöhnliche, aber einprägsame Bildsprache passt zu der eigenständigen Erzählweise, die uns als Publikum ernst nimmt und damit auch einiges zutraut. Die Figuren werden durchaus ambivalent, aber letztendlich stets liebenswert erzählt. Sprache und Form werden dabei in ihren Potentialen gekonnt genutzt. Wir möchten den Comic 'Hort' von Marijpol (auf der Shortlist des Narrativen Langcomics) mit einer besonderen Erwähnung hervorheben." – Judith C. Vogt